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Wenn das Teilen zum Sinn des Lebens führt ...

16.12.2024

An Weihnachten geht es darum, zu teilen und Hoffnung zu schenken. In einer Welt, in der es oft darum geht, möglichst viel anzuhäufen, hat mich mein zweiwöchiger Aufenthalt in Gambia daran erinnert, dass Großzügigkeit keine Frage des Geldes, sondern des Herzens ist.

Der Pfarrer der Gemeinde (2. rechts) legt großen Wert darauf, die Außenstationen regelmäßig zu besuchen, um den Glauben vor Ort zu stärken und die Gemeinschaft zu fördern.

Der Pfarrer der Gemeinde (2. rechts) legt großen Wert darauf, die Außenstationen regelmäßig zu besuchen, um den Glauben vor Ort zu stärken und die Gemeinschaft zu fördern.

 

In der Geburt Jesu schenkt sich Gott der Welt

Die Geburt Jesu Christi ist das herausragendste Beispiel der Selbsthingabe, ein tiefgreifender Akt, in dem Gott sich ganz der Welt schenkt. Mit anderen Worten: Gott bleibt nicht fern und unnahbar, sondern ist in seiner Liebe und Barmherzigkeit auf uns Menschen zugegangen. Er hat unsere menschliche Natur mit all ihren Grenzen, Schmerzen und Freuden angenommen.

Seine Menschwerdung fordert uns auf, uns besonders denen zuzuwenden, die am Rand stehen. Wenn Gott selbst den Weg des Menschen gegangen ist, können wir dem Leid unserer Mitmenschen nicht gleichgültig gegenüberstehen. Für uns Christen bedeutet dies, Gott nicht nur in der Ferne zu suchen, sondern ihn in unserem Alltag, in unseren Mitmenschen und besonders in den uns anvertrauten Menschen zu erkennen und zu lieben.

Diese Quintessenz gilt nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit, in der oft materielle Geschenke im Vordergrund stehen. Nächstenliebe, wie Christus sie vorgelebt hat, ist viel mehr: unser Herz und unser Leben für andere zu öffnen, mit dem Wenigen, das wir haben, anderen zu dienen, ihnen zuzuhören und ihnen beizustehen.

Ein gastfreundliches und hilfsbereites Volk

Während eines zweiwöchigen Aufenthaltes in Gambia, um einen Beitrag für unsere Missionszeitschrift „kontinente der Spiritaner“ vorzubereiten, habe ich auf eindrückliche Weise erfahren, dass sich Nächstenliebe nicht an materiellem Reichtum messen lässt. Ich bin Menschen begegnet, die selbst nicht viel besitzen, aber eine tief verwurzelte Bereitschaft zum Teilen haben. Besonders beeindruckt hat mich ihre Offenheit und Gastfreundschaft. Obwohl die Lebensumstände oft schwierig sind und viele mit existenziellen Nöten kämpfen, habe ich eine unermessliche Großzügigkeit erlebt.

Gleich bei meiner Ankunft durfte ich erleben, wie gastfreundlich und hilfsbereit die Menschen in Gambia sind. Einige Tage später begleitete mich ein Mitbruder von Bakau, einer Stadt an der Atlantikküste, etwa 15 Kilometer von der gambischen Hauptstadt Banjul entfernt, zum zentralen Busbahnhof in Kanifing, um eine Fahrkarte ins Landesinnere zu kaufen. Als wir dort ankamen, waren schon einige Reisende da. Also stellten wir uns an und warteten geduldig, bis wir an der Reihe waren. Dann gab ich dem Fahrkartenverkäufer das Geld, aber er sagte, es fehlten noch 50 Dalasi. Ich wollte gerade mein Portemonnaie zücken, um die Differenz zu bezahlen, als plötzlich ein junger Mann, Anfang 30, auftauchte und den fehlenden Betrag bezahlte. Das war mir unangenehm: Mein Mitbruder sah es an meinem Gesicht und bat mich, es anzunehmen. Es war eine Geste der Dankbarkeit und des Respekts gegenüber meinem Mitbruder. In seiner letzten Pfarrei war er auch Leiter der Missionsschule, und der junge Mann unterrichtete dort.

Seit der Versetzung des Priesters vor zwei Jahren hatten sie sich nicht mehr gesehen. Diese zufällige Begegnung war für den jungen Lehrer eine große Freude. Er zahlte die Differenz, weil er seinem ehemaligen Seelsorger einen Gefallen tun, ihm helfen wollte. Denn in Gambia haben die Priester, vor allem die Ordenspriester, nicht viele finanzielle Mittel. Ich hatte das Geld und hätte den fehlenden Betrag - 50 Dalasi, etwa 65 Cent - leicht bezahlen können, aber mein Mitbruder bat mich, es nicht zu tun, weil es den jungen Mann verletzen und seine Ehre kränken könnte. Jedenfalls hat mich seine schnelle und spontane Hilfe tief beeindruckt. Diese kleine, aber große Geste wird mir immer in Erinnerung bleiben. 

Pater Agame im Gespräch mit einem Nomadenjungen.

Pater Agame im Gespräch mit einem Nomadenjungen.

 

"Dass Menschen, die nicht viel haben, bereit sind, das Wenige, das sie haben, zu teilen, hat mich tief berührt"

Die mehr als sechsstündige Fahrt von Kanifing nach Bansang im großen Bus verlief gut. Pater Frederick Agame, ein Spiritaner aus Ghana, ist Pfarrer der Herz-Jesu-Gemeinde in Bansang, einer ländlichen Gegend mit vielen Bauern und Viehzüchtern. Er hatte seine Gemeindemitglieder bereits über meinen Besuch informiert. Einen Tag nach meiner Ankunft wurde das Fest Mariä Himmelfahrt gefeiert. Nach der heiligen Messe in der Pfarrkirche von Bansang fuhren wir mit dem Taxi nach Birkama-Ba, eine der vier Außenstationen seiner Pfarrei. Im Gegensatz zu den wenigen Besuchern im Pfarrzentrum, wo 15 Personen anwesend waren, waren es in Birkama-Ba bis zu 50 Gläubige, davon über 70 Prozent Kinder und Jugendliche. Die Feier wurde von einem Jugendchor begleitet, und der Pfarrer hielt eine katechetische Predigt, die auf das Fest ausgerichtet war. Die Kinder beantworteten seine Fragen mit Bravour. Es war eine sehr lebendige Feier. Nach der Messe lud uns der Vorsitzende des Gemeinderates, ein Beamter Ende 50, in sein Haus ein, um mit ihm das Fest zu feiern. Es ist wichtig zu erwähnen, dass, obwohl Gambia ein mehrheitlich muslimisches Land ist, das Fest Mariä Himmelfahrt oder „Sang Marie“, wie es im Volksmund genannt wird, ein großes nationales Fest ist und als gesetzlicher Feiertag begangen wird.

Die Missionare haben dieses Fest 1958 eingeführt. An diesem Festtag findet eine feierliche Prozession durch die Straßen statt, und das Allerheiligste wird verehrt. Es folgen Feiern, Straßenumzüge, Trommeln und gemeinsames Essen. Muslime nehmen gerne an diesem Teil der Feierlichkeiten teil. Christen laden ihre muslimischen Freunde zum Essen ein. Dieser Tag wird ganz besonders in der Hauptstadt Banjul gefeiert.

Als wir bei der Familie des Pfarrgemeinderatsvorsitzenden ankamen, war ich angenehm überrascht, dass unser Gastgeber ein ganzes Schwein schlachten und für das gemeinsame Essen zubereiten ließ. Auch einige Freunde aus dem Dorf waren eingeladen. Wir aßen Reis und Gegrilltes aus der gleichen Schüssel und teilten uns die Getränke. Witze und Geschichten wurden ausgetauscht. Dieses gemeinsame Essen sollte mich als Gast in einer wirklich familiären Atmosphäre willkommen heißen, wie es in diesem Land üblich ist. Das Treffen war bescheiden, aber voller Freude und Herzlichkeit. Ich habe mich sehr gut aufgenommen gefühlt. Dass Menschen, die nicht viel haben, bereit sind, das Wenige, das sie haben, zu teilen, hat mich tief berührt. Ihre Großzügigkeit zeigte sich nicht nur im Essen, sondern auch im Lachen, in den Gesprächen und in dem echten Zusammengehörigkeitsgefühl, das in der Luft lag.

Dieser Eindruck, den ich langsam von den Gambiern als einem großzügigen Volk gewann, bestätigte sich bei meinem Besuch in Sare-Abdul, einer bäuerlichen Siedlung, wo ich einige Stunden verbringen durfte. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Als unsere gemeinsame Zeit zu Ende ging, war ich tief berührt von einer Geste, die mir wie ein Symbol für die Großzügigkeit der Gambier erschien. Trotz ihrer bescheidenen Mittel schenkten mir die versammelten Familien einen großen Hahn, der bei meiner Rückkehr ins Pfarrhaus für mich gebraten werden sollte. Dieses Geschenk erinnerte mich an die Gabe der Witwe im Evangelium (Markus 12,41-44) - Jesus lobte sie, weil sie trotz ihrer Armut alles gab, was sie hatte, und damit ein größeres Opfer brachte als die Reichen, die nur von ihrem Überfluss gaben. Auch mir wurde der Hahn mit so viel Liebe und Freude geschenkt, dass er mir wertvoller erschien als alles Materielle.

Gerade als ich glaubte, alle Facetten der gambischen Großzügigkeit erlebt zu haben, öffnete mir in Sare-Abdul ein noch rührenderes Ereignis die Augen. Dort, wo die Menschen mit dem Mangel an grundlegender Infrastruktur zu kämpfen haben, schenkte eine Familie den Spiritanern mehrere Hektar Land, ohne auch nur einen Dalasi dafür zu verlangen. Die Bedeutung dieser Geste wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass die Familie genau wusste, was sie mit dem Verkauf des Landes hätte verdienen können.

Für sie bemisst sich der Wert des Landes nicht in Geld, sondern in den Möglichkeiten, die es ihrer Gemeinschaft bieten kann. Umgeben von einer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung, ist sich die Familie bewusst, dass die Präsenz der Spiritaner mehr bedeutet als nur einen Raum zu besetzen; sie würde die Präsenz der Kirche in ihrer Mitte stärken. Die Spiritaner in ihrer Mitte zu haben, verspricht Entwicklung und spirituelles Wachstum. Sie glauben, dass die Spiritaner mehr als nur Seelsorge leisten werden - sie werden ein Katalysator für sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt sein. Ihr Geschenk ist ein Vertrauensbeweis nicht nur in Gott, sondern auch in die Zukunft ihres Volkes - eine Zukunft, die sie mit offenen Händen und Herzen gestalten wollen.

In einer Welt, in der es oft darum geht, möglichst viel anzuhäufen, hat mich mein Aufenthalt in Gambia daran erinnert, dass Großzügigkeit keine Frage des Geldes, sondern des Herzens ist.

Heilige Messe am Hochfest Mariä Himmelfahrt in Birkama Ba.

Heilige Messe am Hochfest Mariä Himmelfahrt in Birkama Ba.

"Mensch werden bedeutet, aufmerksam und mitfühlend zu leben..."

Auch an Weihnachten geht es um Teilen und Hoffnung schenken. Indem wir diese Hoffnung mit den Bedürftigen, Ausgegrenzten und Vergessenen in unserem Land - zum Beispiel Obdachlosen, Drogenabhängigen und anderen, die am Rande der Gesellschaft leben - und anderswo teilen, geben wir Zeugnis von diesem Gott, der uns immer nahe ist und uns bedingungslos liebt. Teilen bringt uns einander näher und führt uns zu einem tieferen Sinn des Lebens, der weit über das hinausgeht, was wir besitzen.  Denn Mensch werden bedeutet, aufmerksam und mitfühlend zu leben, die Bedürfnisse der anderen zu erkennen und ihnen mit Liebe zu begegnen, wie Jesus es getan hat.

In diesem Sinn wünsche ich uns allen, dass wir in dieser Zeit der Feste und darüber hinaus die Freude am Teilen neu entdecken und uns an der Schönheit der Gemeinschaft und des Miteinanders erfreuen.   

Autor: Pater Samuel Mgbecheta, CSSp

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