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In den Slums von Nairobi

16.12.2024

Der ehemalige Rheinlandmissionar Pater Barnabas Nyakundi Mangera, 48, ist nach über 20 Jahren im 
Ausland in seine Heimat zurückgekehrt. Derzeit ist er als Seelsorger in den Slums von Nairobi tätig. 

Bis vor fast drei Jahren habe ich in Deutschland missionarische Erfahrungen gesammelt und mich seelsorgerisch in die Kirche eingebracht. Nach Abschluss meiner Priesterausbildung an der ordenseigenen theologischen Hochschule in Nigeria, wurde mir Deutschland als der Ort meines Missionseinsatzes zugewiesen. Erst absolvierte ich ab November 2006 einen einjährigen Intensivsprachkurs, danach nahm ich an einem zweijährigen Pastoralkurs in der Diözese Augsburg teil. Der Kurs bestand aus einem theoretischen Teil und
einem Praktikum in einer Pfarrei. Ziel war es, mir die deutsche Art, Kirche zu sein, näherzubringen. Rückblickend kann ich sagen, dass diese Zeit das Grundgerüst für meine missionarischen Aktivitäten in den darauffolgenden Jahren gelegt hat.

Ausgestattet mit den im pastoralen Einführungskurs erworbenen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten begann ich meine Tätigkeiten in der deutschen Kirche. Zunächst war ich ein Jahr als Schulseelsorger am Heilig-Geist-Gymnasium in Würselen tätig, dann elf Jahre in der Pfarrseelsorge im Bistum Aachen.

In diesen Jahren habe ich versucht, das, was ich in Augsburg gelernt habe, in die Praxis umzusetzen und auch das, was ich in meiner Heimat, in Tansania und Nigeria gelernt habe, behutsam anzuwenden. Dabei habe ich festgestellt, dass es der Kirche in Deutschland oft an einer lebendigen Ausstrahlung fehlt.

Mit Trommeln Freude entfachen

Die Begegnungen mit verschiedenen Kulturen in Afrika (Tansania und Nigeria) und in Deutschland haben mich in vielerlei Hinsicht bereichert und mir den Blick für andere Sichtweisen geöffnet. Dafür bin ich bis heute sehr
dankbar, denn sie prägen die Art und Weise meines heutigen pastoralen Dienstes.

Im Oktober 2021 habe ich beschlossen, meine Zelte abzubrechen und nach Hause zurückzukehren. Ich habe nämlich während meiner Heimaturlaube festgestellt, dass sich viele Dinge in den letzten zwei Jahrzehnten stark verändert hatten und sich weiter verändern. Selbst in meiner Familie kenne ich nicht alle meine Neffen, Nichten und Cousins, die geboren wurden, während ich im Ausland war. Als sich mir die Gelegenheit bot, meine Mission in der Spiritanerfamilie in meiner Heimat fortzusetzen, habe ich nicht gezögert, sie zu ergreifen.

Seit fast drei Jahren arbeite ich in Mukuru, einer Slumsiedlung im Stadtgebiet von Nairobi, der Hauptstadt und bevölkerungsreichsten Stadt Kenias. Die Slums liegen etwa sieben Kilometer südlich des zentralen Geschäftsviertels der kenianischen Hauptstadt und gehören zu den größten Slums entlang des Nairobi-Ngong Flusses.

Mit Trommeln Freude entfachen

30 000 Katholiken in unserer Pfarrei

Mukuru liegt auf einer Brachfläche im Industriegebiet der Stadt. Es ist Teil eines größeren Slumkomplexes in Nairobi, zu dem auch Mathare, Korogocho und Kibera gehören. Hier leben zirka 700 000 Menschen, davon rund 30 000 Katholiken, die in unserer Pfarrei registriert sind.
Neben der katholischen Kirche gibt es viele Pfingstkirchen, beispielsweise die Pfingstkirche von Ostafrika, die Siebenten-Tags-Adventisten, die Afrikanische Landeskirche, die Anglikanische Kirche von Kenia und die Full Gospel Church. Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen sind in diesem Gebiet nur in geringer Zahl vertreten, dafür gibt es eine Reihe von Menschen, die keiner Religion angehören. In den Stadtteilen gibt es viele Moscheen, wobei der Islam nur eine kleine Minderheit darstellt.

Was den interreligiösen Dialog betrifft, so gibt es zwar keine strukturierten Treffen, bei denen über die verschiedenen Religionen gesprochen wird. Allerdings kommen Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften zusammen, um Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden. Das Spektrum der zu bewältigenden Probleme ist breit und reicht von Sicherheitsfragen über Drogenmissbrauch bei Jugendlichen und
frühe Schwangerschaften bis hin zu tödlichen Krankheiten wie Krebs und HIV/AIDS. Lösungsstrategien werden entwickelt.

Die Zusammenarbeit der Religionen zielt darauf ab, gemeinsam Maßnahmen gegen Armut und Not in der Bevölkerung zu ergreifen und so einen Beitrag zu einem friedlichen Zusammenleben zu leisten.

In Mukuru sind 30 Prozent der Menschen arbeitslos, darunter mehr Frauen als Männer. Viele der Beschäftigten arbeiten nur gelegentlich, während mehr als zwölf Prozent der Arbeitsplätze in der lokalen Industrie angesiedelt
sind. Das durchschnittliche monatliche Haushaltseinkommen liegt bei 86 Euro. Die Menschen brauchen Geld für Bildung, Nahrung und Gesundheit. Diese Situation hat zur Folge, dass Drogen- und Alkoholmissbrauch, Kriminalität, Schlägereien, Diebstähle, Vergewaltigungen, frühe Schwangerschaften und die Verbreitung von Krankheiten zunehmen.

Viele Laien unterstützen uns

Für die Gesundheitsversorgung stehen ein öffentliches Krankenhaus und drei Gesundheitszentren zur Verfügung. Daneben gibt es eine Handvoll kleiner privater Apotheken und Kliniken. Die öffentlichen Krankenhäuser sind jedoch nicht ausreichend ausgestattet, um den hohen Behandlungsbedarf der Bevölkerung zu decken. Medikamente und medizinische Geräte sind oft nicht verfügbar. Zudem werden medizinische Geräte nicht regelmäßig gewartet oder bei Defekten repariert. Da die Slumbewohner nicht krankenversichert sind, können sie die notwendigen Medikamente nicht bezahlen.

Unsere Kirchengemeinde setzt sich aus Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten zusammen. Die meisten Bewohner sind arm und leben in einfachen Blechhütten mit unzureichender Wasser- und Stromversorgung. Es gibt sechs Außenstationen und viele kleine christliche Gemeinschaften. Die Kirchen sind nur zwei bis fünf Kilometer voneinander entfernt, aber die Straßen sind nicht asphaltiert, was die Mobilität der Menschen einschränkt.

In unserer Pfarrei St. Mary in Mukuru werden wir – Pater George Njoroge Mungai, 52, und ich – von vielen Laien unterstützt, darunter sechs Katechisten, 45 Animatoren des Päpstlichen Kindermissionswerks und 30 Animatoren der Missionarischen Jugendbewegung.

Es gibt hier drei Spiritanerschulen, die Kindern aus den Slums zu einer angemessenen Schulbildung verhelfen: Holy Ghost-Libermann Academy (Grundschule), Holy Ghost Elite Academy (Grundschule) und St. Bakhita Primary School und Junior Secondary School (Grundschule und weiterführende Schule).

Patenschaften für Schüler

Bildung ist sehr wichtig, aber für die meisten Eltern eine kostspielige Angelegenheit. Deshalb betreuen wir eine Gruppe von Sekundarschülern, die entweder Waisen sind oder deren Eltern das Schulgeld nicht aufbringen können.

Seit meiner Rückkehr nach Kenia konnte ich auch Kontakte zu verschiedenen Firmen und Hilfsorganisationen knüpfen, um das Schulgeld zu decken, das für die weiterführenden Schulen zwischen 30 000 und 75 000 kenianischen Shilling pro Jahr liegt – das entspricht je nach Schulstufe 290 bis 480 Euro. Bisher konnten wir schon 80 Schüler durch Patenschaften unterstützen und dazu beitragen, dass Kinder aus benachteiligten Familien Zugang zu Bildung bekommen.

Jeden Sonntag 18 Messen

Zu meinen vielfältigen pastoralen Aufgaben gehören die Jugendseelsorge, die geistliche Begleitung der Charismatischen Bewegung und der jungen katholischen Erwachsenen, des Katholischen Frauenbundes, der Berufungspastoral und der Gemeindecaritas. Letztere Gruppe orientiert sich an Matthäus 25,40 und ist auf die
sechs Außenstationen verteilt. Sie besteht aus ehrenamtlichen Mitgliedern, die sich in verschiedenen Bereichen engagieren. Dazu zählen Krankenbesuche, die Versorgung von Hungernden mit Lebensmitteln, gelegentliche Besuche in Gefängnissen und die Unterstützung von gefährdeten Frauen, Männern, Mädchen und Jungen.

Ich feiere jeden Tag zwei bis vier Messen, außer montags. Die Gottesdienste werden abends gehalten und sind gut besucht. Sonntags finden 18 Messen statt und alle Außenstationen sind voll. Es kommen sowohl ältere als auch jüngere Menschen in großer Zahl. Die Land Stadt-Migration, insbesondere nach Nairobi und in die Mukuru-Slums, nimmt zu und wird in absehbarer Zukunft zu einer deutlichen Steigerung der Gottesdienstbesucherzahlen führen.

Darüber hinaus bin ich an den drei Spiritaner-Schulen tätig. Zu meinen Aufgaben gehört die Förderung des harmonischen Zusammenlebens und des Wohlbefindens aller Beteiligten, das heißt des Lehrerkollegiums, der Schülerinnen und Schüler sowie der weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Außerdem halte ich Gottesdienste für die gesamte Schulgemeinschaft. Ich organisiere auch Ausflüge für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie das nichtpädagogische Personal. Nicht zuletzt wirke ich bei der Erstellung der Schulordnung mit.

Seelsorger und Ratgeber

Die pastorale Arbeit in Deutschland unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der pastoralen Arbeit in Kenia. So werden Priester in Kenia als Alleskönner wahrgenommen, die auf alle Fragen eine Antwort wissen. Das zeigt sich an der Vielzahl von Anliegen, die an die Priester herangetragen werden: von Eheproblemen über
Schwierigkeiten am Arbeitsplatz bis hin zu Fragen des persönlichen geistlichen Lebens.

Des Weiteren werden hin und wieder Messen für die Familienangehörigen bestellt und in deren Häusern gefeiert. Dabei werden die Anliegen der Familien vor Gott getragen und um Gottes Schutz, Beistand und Segen für alle Familienmitglieder gebetet. 

In Kenia feiern wir in der Regel alle Sakramente innerhalb der Heiligen Messe, während in Deutschland einige Sakramente wie Taufe und Trauung außerhalb der Messe stattfinden. In Kenia werden sowohl Kinder als auch Erwachsene in großer Zahl getauft: Das können an einem einzigen Tag bis zu 350 Kinder sein. In Kenia gehört es zu jeder Messe, vor allem sonntags, Opfergaben und Geschenke darzubringen. Diese Gaben, die die Christen ihren Priestern geben, bestehen zum Beispiel aus landwirtschaftlichen Produkten.

Schließlich dauert eine Sonntagsmesse in Deutschland bis zu eineinhalb Stunden, in Kenia aber mindestens zwei Stunden. Die Predigt sollte mindestens 20 Minuten dauern. Es gibt auch liturgische Tänze, die während der Gabenprozession zum Altar aufgeführt werden. Alle drei Lesungen werden vorgetragen.

Als Priester habe ich viele Aufgaben. Dabei stehe ich vor einer Reihe von Herausforderungen. Ein großer Teil davon hat mit dem Mangel an angemessenen Ressourcen zu tun. Die meisten Menschen, die meine Hilfe suchen, sind von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen. Ich freue mich, wenn ich das teilen kann, was mir persönlich zur Verfügung steht. Aber als Ordenspriester, der auf die Hilfe von Menschen guten Willens angewiesen ist, kann ich oft nicht allen Bedürfnissen gerecht werden.

Es bedrückt mich sehr, wenn ich sehe, wie jemand vor mir weint, weil er etwas zu essen oder Geld für Medikamente braucht, und ich nicht helfen kann. Die Förderung der uns anvertrauten Menschen in allen Lebensbereichen – beruflich, bildungsmäßig, spirituell, psychologisch, finanziell – stellt uns vor eine anspruchsvolle Aufgabe, die nur durch gemeinsames Handeln bewältigt werden kann. Denn „jeder Einzelne ist ein Tropfen, gemeinsam sind wir ein Meer“, so der japanische Schriftsteller Ryunosuke Satoro. Wir freuen uns daher über jede Form der Unterstützung.

Was ich jetzt anders machen würde

Kinder kümmern. Dazu würde ich Foren für und mit Jugendlichen schaffen. Jugendpastoral sollte möglichst schon in der Schule beginnen.

Des Weiteren würde ich darauf achten, dass die Liturgie gepflegt wird. Wir müssen mehr Leben in die Liturgie bringen. Deshalb ist es wichtig, dass der pastorale Ansatz für die verschiedenen Altersgruppen stimmig ist. 

 


Dieser Artikel entstammt einem Interview, das Pater Samuel Mgbecheta mit Pater Barnabas Nyakundi Mangera führte. (Siehe Kontinente - Das Magazin der Spiritaner, 3/2024)

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