06.10.2023
In einer Gesellschaft, in der der Glaube zunehmend zu schwinden scheint,spielen religiöse und kulturelle Zentren wie die Knechtstedener Klosteranlage eine wichtige Rolle für Christen und Nicht-Christen. Die ehemalige Prämonstratenserabtei, die 1895 von den Spiritanern übernommen wurde, ist auch heute noch ein Ort lebendigen Glaubens und weltkirchlicher Präsenz.
Die doppelchörige Gewölbekirche im romanischen Stil und die gesamte Klosteranlage sind für viele Besucher ein bedeutendes geistliches und kulturelles Zentrum, in dem sie neue Kraft schöpfen. Und dies gilt für Gläubige und Nichtgläubige, die sich für Kunst interessieren oder die schöne Umgebung des Klosters mögen! Auf die Frage, was all diese unterschiedlichen Gruppen von Menschen anzieht, antwortet P. Hermann-Josef Reetz, langjähriger Rektor der Basilika Knechtsteden: „Menschen, die zum größten Teil noch getauft, aber der Kirche völlig entfremdet sind, brauchen neue ‚Eingangsbereiche‘, die sie unvoreingenommen betreten können.“ Dazu gehören nach seiner Überzeugung „Räume des Schönen, Gebiete des historischen Interesses, spirituelles Ambiente und Ähnliches. Durch diese finden sie Kontakt mit der Kirche und dem christlichen Glauben.“ Alle diese Elemente sind in Knechtsteden vorhanden. Als weitere Gründe führt er unter anderem an: „Für die einen ist es Tradition, in Knechtsteden die Messe zu besuchen und die Predigt aus verschiedenen Mündern zu hören. Andere lassen sich vom Kirchenraum anziehen, verbinden den Kirchgang mit einem erholsamen Spaziergang. Wieder andere fühlen sich in ihrer Pfarrei nicht beheimatet oder der Messtermin passt einfach besser in die Wochenendplanung.“
Die im Jahr 1130 von den Prämonstratensern gegründete Klosteranlage wurde bis zur Säkularisation, als sie am 5. September 1802 aufgehoben wurde, ausgebaut. 1869 zerstörte ein verheerender Brand die Klosteranlage; sie war nur noch eine „Schutthalde“, als die Spiritaner den Klosterkomplex 1895 durch Pater Acker übernahmen. Ab 1895 diente Knechtsteden als Mutterhaus der deutschen Spiritaner und war bis zum Ende des 20. Jahrhunderts eine wichtige Ausbildungsstätte für angehende deutsche Spiritanermissionare, die später in Afrika und Lateinamerika tätig waren. Trotz des Rückgangs der ordenseigenen Berufungen ist Knechtsteden nach wie vor eine Ausbildungshochburg für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Dies spiegelt sich in den zahlreichen Bildungseinrichtungen auf dem Gelände wider. Wer heute Knechtsteden besucht, begegnet Schülern des Norbert Gymnasiums, Studierenden der Meisterschule des Zentralverbandes des deutschen Augenoptikerhandwerks, Künstlern mit ihren Ateliers, Biologen und Naturpädagogen im „Haus der Natur“, Kindern des Waldkindergartens und Gästen des Kulturhofs. Das „Norbert-Gymnasium“, eine ehemalige Ordensschule, mit seinen fast 1400 Schülern und hunderten LehrerInnen ist die größte Einrichtung auf dem Klostergelände. Nicht zu vergessen sind die vielfältigen kulturellen Aktionen wie z.B. Kunstaustellungen im barocken Kreuzgang in Knechtsteden, musealisierte alte Handwerksstätten und Sommer-Theatergastspiele in der Theaterscheune des Klosters sowie die für Gruppen angebotenen Kirchen- und Klosterführungen.
Die Spiritaner schätzen diese Gebetsstätte sehr und messen ihr große Bedeutung bei. „Knechtsteden ist unser bedeutendster Standort in Deutschland, der unser Altersheim, die Ordensverwaltung, eine Gemeinschaft von Mitbrüdern im aktiven Seelsorge-Dienst bzw. in Ordensaufgaben, beherbergt und zugleich ein Rückzugsort für suchende Menschen ist“, so P. Innocent Izunwanne, Provinzial der Spiritaner in Deutschland. In der Tat stehen die in Knechtsteden lebenden Ordensmitbrüder Suchenden und Gläubigen zur Verfügung bei den Gottesdiensten, bei Beicht- und Glaubensgesprächen.
Aufgrund seiner außerordentlichen Architektur und Innenausstattung ist die 885 Jahre alt Klosterkirche, die mehr als 100 Jahre älter ist als der Kölner Dom, sehr beliebt bei jungen Erwachsenen, die heiraten oder ihre Kinder taufen lassen wollen. Philippa und Tobias Cromme, aus Düsseldorf Bilk, schlossen 2021 ihre Ehe in der Basilika. Kennengelernt haben sie die Klosterkirche bei einem Messbesuch im Jahr 2020. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung, in Knechtsteden zu heiraten, war nicht nur die besondere klösterliche Atmosphäre, sondern auch dessen historische Bedeutung. „Uns gefällt, wie liebevoll Knechtsteden gestaltet ist und wieviel Historie darin steckt. Man kommt nicht umhin sich vorzustellen wie viele tausende Menschen schon vor uns dort vor Gott getraut wurden in den vergangenen Jahrhunderten. Das ist ein schönes und besonders Gefühl“, so das Ehepaar.
Andere spirituelle Angebote sind: die zweimal wöchentlich Sprechstunden, verschiedene Wallfahrtsgottesdienste für unterschiedliche Gruppen wie Pfarrgemeinden, Chöre, Kinder und Jugendliche, regelmäßige Besinnungs- und Einkehrtage. Im November 2018 wurde durch P. Innocent Izunwanne die BasilikaNight ins Leben rufen. Sie findet zweimaljährlich statt. Dabei versucht das BasilikaNight-Team Menschen unterschiedlichen Alters für den Glauben zu begeistern.
Ebenfalls erwähnenswert sind die wöchentlichen Schulgottesdienste der Schulgemeinde. Für den Schulleiter des Norbert Gymnasiums, Johannes Gillrath, „unterstützt die außergewöhnliche, naturnahe und traditionsreiche Lage Knechtstedens eine positive Lebens- und Lernumgebung.“ Weiter führt er fort: „Alle Bereiche der Klosteranlage geben Raum für die Reflexion religiöser Fragen und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben. So kann christliche Gemeinschaft im Schulalltag und darüber hinaus erfahrbar werden. In allem ist uns die christliche Gemeinschaft über konfessionelle Grenzen hinaus wichtig.“
In Knechtsteden wird auch großer Wert auf die ökumenische Zusammenarbeit gelegt. Im September 2022 wurde das ökumenische Erntedankfest des Landes Nordrhein-Westfalen in der Knechtstedener Basilika begangen. Geleitet wurde das Fest von P. Emeka Nzeadibe, dem Superior des Missionshauses Knechtsteden, und Pfarrer Ralph Laubert, dem Synodalassessor der Evangelischen Kirche im Rheinland für Gladbach-Neuss. Seit mehr als drei Jahren findet an Heiligabend um 18 Uhr eine evangelische Christvesper in der Klosterkirche statt. Matthias Wirth, Theologieprofessor an der Universität Bern, der die Basilika seit seiner Kindheit kennt, ist der Initiator dieser Gebetsveranstaltung. Über die freundliche Aufnahme, die er in Knechtsteden erfahren hat, sagt er: „Seit meinem ersten Kontakt mit den Spiritanern in Knechtsteden war ich beeindruckt von der Offenheit für mein Anliegen, das auf große ökumenische Gastfreundschaft traf. Für die jährlich gewachsene Gemeinde der evangelischen Christvesper am Heiligen Abend in der Basilika Knechtsteden, ist diese Stunde von besonderer aufbauender Bedeutung.“
Aufgrund ihrer hervorragenden Akustik und ihrer kunstgeschichtlichen Bedeutung werden auch zahlreiche Musikveranstaltungen in der Basilika durchgeführt. Ein herausragendes Ereignis ist das im Jahre 1981 von Hermann Max gegründete Festival Alte Musik. Jedes Jahr in der dritten Septemberwoche erwartet Musikliebhaber eine Woche lang höchster musikalischer Genuss aus unterschiedlichen Epochen. Für den Initiator dieser Veranstaltung, der nach 32 Jahren künstlerischer Leitung in den Ruhestand geht, ist „die Basilika mit ihrer wunderbaren Lage im Grünen der ideale Raum, um geistliche Musik vor allem der Vergangenheit in entsprechender Akustik und Bauart wiederzugeben.“ Ihm bedeutet die prächtige Klosterkirche viel. „Immer, wenn ich die Basilika betrete, habe ich das Gefühl, frei zu sein, alles Strittige unseres Lebens zurückgelassen zu haben – als hätte ich eine Last abgelegt“, fügt er hinzu.
Auch der Basilika-Organist Shawn Kühn, der seit 2014 hier tätig, und ab 2018 für die kirchenmusikalischen Belange der Basilika verantwortlich zeichnet, ist von der hervorragenden Beschallung des Gotteshauses begeistert. „Romanische Kirchen haben meist immer eine gute Akustik. Mit einem Nachhall von über sieben Sekunden, ergibt sich eine optimale Akustik für Chor- und Ensemblemusik“, so Kühn. Der leidenschaftliche Musiker, der gerade Theologie studiert, sieht „die Basilika nie als Konzertsaal, sondern als Gotteshaus, wo Musikerinnen und Musiker ihr Talent Gott selbst vortragen. Dabei versuchen sie das Wort Gottes durch die Musik zu verkünden und in die Herzen der Gläubigen zu legen.“
Vor 35 Jahren schrieb der verstorbene Spiritanerpater Albert Claus anlässlich der 850-Jahr Feier der Klosterbasilika: „Eine Öffnung zur Weltkirche hin erlebt Knechtsteden durch die Anwesenheit vietnamesischer Schüler und durch die Mitarbeit von Spiritanern aus anderen Erdteilen, die uns den Reichtum ihrer Kulturen bringen und zeigen, dass Knechtstedens Einsatz in den vergangenen 100 Jahren in aller Welt Früchte trägt.“ Auch heute noch ist diese Feststellung zutreffend! Die Mitbrüder aus anderen Ländern arbeiten nicht nur in der Spiritaner-Mission in Deutschland mit, sondern sie leiten und lenken die Geschicke ihrer Kongregation. In Knechtsteden übernehmen sie Aufgaben als Provinzial, Superior der Kommunität, Rektor der Basilika, Ökonom und so weiter. Außerdem unterstützt die Basilika-Gottesdienstgemeinde spiritanische Missionen und Projekte in Europa und in Übersee. Als 2022 der Krieg in der Ukraine ausbrach, wurden in Knechtsteden mehr als 25 000 Euro gesammelt, um der polnischen Provinz bei der Betreuung von Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen. Zudem wurde im Sommer 2021 ein Benefizkonzert für die Opfer der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal veranstaltet: Fast 6000 Euro wurden an das Deutsche Rote Kreuz überwiesen. Auch im Jahr 2019 sammelten die Basilikagemeinde und der Förderverein mehr als 25 000 Euro für Wirbelsturmopfer in Mosambik.
Angesichts der vielen Aufgaben und der stets zurückgehenden Anzahl der Mitbrüder ist die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen heute wichtiger denn je. Circa 70 Männer und Frauen bringen sich in verschiedene Bereiche ein. Zu ihnen gehören die Schwestern Claudia Holzberg und Cornelia Bigalke. Seit 2013 kommen sie jeden Samstag, um das Gotteshaus mit Blumen zu schmücken. „Uns würde ein Stück unserer Alltags-Tradition fehlen, wenn wir samstags nicht in Knechtsteden sein könnten. Dieser Dienst erfüllt uns mit Freude.“ Der Superior des Missionshauses, Pater Emeka Nzeadibe, freut sich über so viel Unterstützung: „Dankenswerterweise beteiligen sich unzählige Menschen an verschiedenen Diensten: im Klosterladen, im Kräutergarten, in der Kleiderkammer oder in der Fundgrube, der Werkstatt und in der Basilika. Auch der Förderverein für das Missionshaus ist nicht aus Knechtsteden wegzudenken. Wir können nicht ohne die Ehrenamtlichen auskommen.“ Die Ordensgemeinschaft möchte auch in Zukunft dieses spirituelle und kulturelle Zentrum aufrechterhalten und mit mehr Leben füllen. Der Provinzial möchte dem Wunsch vieler Menschen nachkommen, die hier ihre Einkehrtage und Exerzitien abhalten möchten, aber aufgrund mangelnder Strukturen (und Personal) im Moment nicht aufgenommen werden können. „Es ist mein persönlicher Traum, in Knechtsteden wieder ein Exerzitienhaus zu errichten. Wenn wir das Glück hätten, jemanden zu finden, der uns vor allem finanziell unterstützt, dann würde in Knechtsteden ein neues Kapitel des Glaubens und der Erwachsenenbildung aufgeschlagen werden.“
Autor: P. Samuel Mgbecheta, CSSp
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