17.02.2023
„Auge für Auge und Zahn für Zahn!“ Ja was bahnt sich denn da schon wieder an?
Nicht nur das Hemd, sondern auch den Mantel teilen; statt einer gleich zwei Meilen eilen!
Nicht nur den Nächsten lieben, sondern auch die uns hassen – ja ist es denn noch zu fassen!
Und all das soll am Ende gar vollkommen sein? Na sowas leuchtet mir nun gar nicht ein!
Doch lassen wir das Reimen sein, denn diese Botschaft Jesu lädt uns zum Nachdenken ein!
Der Mensch neigt dazu, für ein Unrecht, das ihm angetan wurde, Vergeltung zu üben. Da herrscht oft das wilde Aufbegehren und der Trieb nach Rache, dem anderen ein Vielfaches von dem selbst erlittenen Schaden heimzuzahlen. Die unbeherrschte Rachsucht wird dort eingedämmt, wo das Maß der Vergeltung genau festgesetzt wird. So geschah es in den alten Rechtsordnungen der orientalischen Völker, so geschah es auch in den Rechtsbüchern des Alten Testamentes. Das Strafmaß sollte dem Maß des Schadens entsprechen und nicht hemmungslos darüber hinausgehen. Diesen Grundsatz hat auch Jesus nicht aufgehoben, wie wir bereits am vergangenen Sonntag gehört haben. Er ist nicht gekommen, um aufzuheben, sondern zu erfüllen, das menschliche Verhalten von seiner Wurzel her zu betrachten.
Hinter dem Pochen auf den Rechtsanspruch, auf Vergeltung, steht das tief im Herzen der Menschen verwurzelte Denken: „Wie du mir, so ich dir!“ Doch Jesus zeigt einen anderen Weg, den der überströmenden Gerechtigkeit. Unheil und Unrecht wird nicht dadurch überwunden, dass es mit gleicher Härte zurückgezahlt wird. Es verliert seine Gewalt, wenn es von ertragender Liebe aufgefangen wird. Die Kraft der Gewalt und des Hasses verpufft, die endlose Kette der Rache und Vergeltung wird durchbrochen, weil sie keinen Widerstand findet. Die Liebe, das Verständnis füreinander, das respektvoll aufeinander zugehen, ist das Maß aller Dinge.
Doch das ist wieder einmal leichter gesagt als getan. Aus der eigenen Erfahrung heraus wissen wir doch alle, wie schwer das im konkreten Fall ist. Der Geist der unendlichen Liebe ist zwar durch die Taufe in uns eingegossen, aber er wirkt nicht immer in unseren Herzen. Da setzen sich die Gedanken der Rache und der Vergeltung dann doch eher durch. Und manchmal kommt dann auch die Schadenfreude noch dazu. Das alles weiß Jesus und das alles lässt er auch zu. Und dennoch rät, ja wünscht er uns, vollkommen zu sein, wie es auch unser himmlischer Vater ist.
Vollkommen sein bedeutet nicht „perfekt“, fehlerlos zu sein, sondern immer wieder neu bereit zur Vergebung, zur Versöhnung, zur Umkehr. Dass in uns der Wunsch nach Rache und Vergeltung für erfahrenes Unrecht aufkommt, ist ganz menschlich. Vollkommen im Sinne Jesu ist es, dann über den eigenen Schatten zu springen, zu vergeben und um Vergebung zu bitten, zu versuchen, den anderen und sein Tun zu verstehen und so die Atmosphäre des geschwisterlichen Miteinanders wieder herzustellen.
Darüber freut sich Jesus, das weiß ich genau! Und er rät uns: Seid fröhlich, vertragt und umarmt euch mit Alaaf und Helau!
Autor: P. Michael Wegner, CSSp
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