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Implus zum 6. Sonntag C: "Zwei einander kontrastierende Identifikationsmöglichkeiten"

12.02.2022

Mit den Seligpeisungen und den Weherufen bietet uns Jesus zwei einander kontrastierende Identifikationsmöglichkeiten an: Wir können uns identifizieren mit den Armen, Hungernden, Weinenden und Verfolgten oder mit den Reichen, Satten, Lachenden und von Menschen Geachteten. Mit welcher Gruppe wir uns identifizieren, hängt entscheidend von unserer eigenen Lebenssituation ab, in der wir uns hier und heute befinden.

In der sogenannten „Feldrede Jesu“ (im Gegensatz zur Bergpredigt bei Matthäus) stellt der Evangelist Lukas vier Seligpreisungen und vier Weherufe spiegelbildlich gegenüber.

Seligpreisungen und Weherufe sind ein altes literarisches Stilmittel. Seligpreisungen finden wir bereits im Alten Testament, in den sogenannten weisheitlichen Texten, z.B. in den Psalmen. Dort zeichnen sie das Bild eines gelingenden Menschseins und wollen die Hörer zu einem bestimmten Handeln einladen und sie darin bestärken. Genau das ist auch die Absicht des Evangelisten Lukas, bzw. die Absicht Jesu selbst. Mit den Seligpreisungen spricht Jesus denen einen Ausgleich zu, die jetzt zu kurz gekommen sind: den Armen und Verachteten, den Unterdrückten und Verfolgten.

Auch Weherufe finden wir im Alten Testament, z.B. in der prophetischen Gerichtsrede des Jesaja. Sie haben eine mahnende und warnende Funktion. Sie weisen auf vorhandene soziale Missstände hin. Darauf weist auch Jesus mit seinen Weherufen hin. Er warnt eindringlich vor dem Reichtum. Dieser zeigt sich nach Lukas im Wohlstand. Und dieser wiederum führt zu der Gier nach Befriedigung und Genuss, zur Sucht nach Vermehrung und Vergrößerung des Besitzes, zum Streben nach Macht, Einfluss und Ehre.

Umkehr der Besitzverhältnisse

Die Seligpreisungen, wie wir sie aus der Überlieferung der Evangelisten kennen, haben im Laufe der Geschichte unterschiedliche Deutungen und manche Missverständnisse erfahren. Da wurde Jesus zum Sozialrevolutionär erklärt, der Besitzverhältnisse umkehren wollte. Oder man sah in ihm einen Träumer, der etwas Unmögliches versprach. Kritiker sehen bis heute in den Seligpreisungen billigen Trost. Theologen argumentieren, dass es um „endzeitliche Verheißungen“ gehe. Doch die Jesus-Botschaft in den Seligpreisungen und in den Weherufen ist nicht für eine unbestimmte Zukunft gedacht, sondern sie will heute diejenigen erreichen, die zu Jesus kommen mit ihrer Not. Damit knüpft Jesus an seine erste Predigt in der Synagoge seiner Heimat Nazareth an, wo er klar und unmissverständlich Prophezeite: Heute hat sich dieses Wort erfüllt!

Bei Jesus bleibt keine Gruppe außenvor

Was also bedeuten die Seligpreisungen und die Weherufe für uns heute? Jesus bietet uns zwei einander kontrastierende Identifikationsmöglichkeiten an: Wir können uns identifizieren mit den Armen, Hungernden, Weinenden und Verfolgten oder mit den Reichen, Satten, Lachenden und von Menschen Geachteten. Mit welcher Gruppe wir uns identifizieren, hängt entscheidend von unserer eigenen Lebenssituation ab, in der wir uns hier und heute befinden. Wichtig ist und bleibt: Jesus spricht die ganze Gemeinde, uns alle an. Bei ihm bleibt keine Gruppe außenvor! Er bietet unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten für alle Menschen verschiedener sozialer Herkunft und Situation an. Er setzt damit einen Prozess der Interaktion, der Integration, der Veränderung an. Lassen auch wir uns immer wieder neu dazu anstoßen.

Autor: Pater Michael Wegner, CSSp

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