09.07.2022
Wir Christen müssen uns immer wieder deutlich machen, dass es nicht darauf ankommt, wie wir uns fühlen, wenn wir Nächstenliebe üben. Es kommt allein oder zumindest doch zunächst darauf an, dass wir die Nächstenliebe verwirkli-chen. Wichtig ist, dass wir die Not und Hilfsbedürftigkeit unserer Mitmenschen sehen und erkennen und dann unverzüglich helfen, so wie es der Samariter ge-tan hat. Es kommt also auf die Hilfe mit Herz und Verstand an. Es kommt darauf an, dass wir uns nicht treiben und bestimmen lassen von Lust und Laune, vom bloßen Gefühl des Abscheus, des Ekels oder von Enttäuschungen.
„Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ eine klassische Katechismusfrage, die der Gesetzeslehrer im heutigen Evangelium (lk 10, 25-37) an Jesus richtet. Dieser beantwortet sie aber nicht auf lehrhaft-doktrinäre Weise, sondern er erzählt ein Gleichnis. Mit dem Gleichnis vom Samariter, der demBarmherzigkeit erwiesen hat, der unter die Räuber gefallen ist, führt Jesus uns vor Augen, wie wir die Nächstenliebe üben können und sollen.
Dieses Gleichnis hat seine ganz besondere Dynamik: Ein Mann ist von Räubern überfallen worden, als er einen Weg ging, den auch andere Menschen gehen. Ihm war sicher nicht unbekannt, dass es in dieser Gegend Räuber gibt, die Menschen überfallen. Aber er hat ganz sicher nicht damit gerechnet, dass es ihn erwischen würde. Er ist heimtückisch aus dem Hinterhalt überfallen worden. Und ehe er recht zur Besinnung kam, war es schon passiert: ausgeplündert, niedergeschlagen, blieb er halbtot liegen. Hier wird deutlich: Wenn ein Mensch unter die Räuber fällt (wenn ein Mensch Unheil erfährt), dann erliegt er der Übermacht (ist schockiert, gelähmt, handlungsunfähig), mag er noch so mannhaft und stark sein. Er ist hilflos, ja buchstäblich machtlos.
Der Priester und der Levit gingen achtlos an diesem hilflosen, am Boden zerstörten Menschen vorüber. Der Samariter dagegen sieht die Not und er hilft sofort. Er hilft so, wie Jesus selbst einem Hilfsbedürftigen Menschen begegnet. Er verhält sich so, wie auch wir uns verhalten sollen, wenn wir einem hilfsbedürftigen Menschen begegnen: „Geh und handle genau so!“
Der Samariter fragt nicht lange nach dem Grund oder der Ursache der Notlage, ob der Mann vielleicht leichtsinnig oder gar schuldhaft sich selbst in Gefahr begeben hat. Er hilft, obwohl er nicht einmal weiß, was das für ein Mensch ist. Vielleicht ist dieser halb tot daliegende Mann selbst ein Wegelagerer, der bei seinem Versuch, andere auszurauben, überwältigt und besiegt worden ist. Das kann der Samariter nicht wissen. Im Moment interessiert ihn das auch gar nicht. Er sieht die Not dieses Menschen und dass er seine Hilfe braucht. Wie es dem Samariter zumute ist, welche Gefühle er dabei hat, das erfahren wir nicht.
Wir Christen müssen uns immer wieder deutlich machen, dass es nicht darauf ankommt, wie wir uns fühlen, wenn wir Nächstenliebe üben. Es kommt allein oder zumindest doch zunächst darauf an, dass wir die Nächstenliebe verwirklichen. Wichtig ist, dass wir die Not und Hilfsbedürftigkeit unserer Mitmenschen sehen und erkennen und dann unverzüglich helfen, so wie es der Samariter getan hat. Es kommt also auf die Hilfe mit Herz und Verstand an. Es kommt darauf an, dass wir uns nicht treiben und bestimmen lassen von Lust und Laune, vom bloßen Gefühl des Abscheus, des Ekels oder von Enttäuschungen.
Die Geschichte, die Jesus erzählt, spielt auf dem Weg zwischen Jericho und Jerusalem, aber sie ist noch nicht zu Ende gekommen. Sie dauert noch immer an und setzt sich fort, überall dort, wo Menschen ähnlich schwierige Wege gehen. Auch heute gilt: Wer ins Straucheln gekommen ist, der soll gestützt werden; wer unter die Räder gekommen ist, dem soll aufgeholfen werden; und wem Wunden geschlagen wurden, der soll verbunden werden. Gelegenheiten bieten sich dazu für jeden von uns ganz viele. Folgen wir dem Auftrag Jesu: „Geh und handle (genauso)“.
Autor: P. Michael Wegner, CSSp
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