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Impuls zum Jahresbeginn (01.01.2023)

31.12.2022

Der Beginn des neuen Jahres stellt eine Zeitenwende dar. Der Begriff der „Zeitenwende“ wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2022 gekürt.

Impuls zu Weihnachten 2022Vierter Advent

Foto: Gerd Altmann/geralt - pixabay.com

Er steht im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und wurde unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz aufgegriffen und geprägt: „Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende. Er bedroht unsere gesamte Nachkriegsordnung“, hatte er Ende Februar in seiner Regierungserklärung gesagt. Gemeint hat er damit die Zeitenwende, das Umdenken in der Wirtschafts-, Rüstungs- und Außenpolitik.

Vom Ursprung des Wortes her bezeichnet Zeitenwende die neue christliche Zeitrechnung, die Geburt Jesu, das Weihnachtsfest als Wendepunkt der Menschheitsgeschichte. Eine Zeitenwende hin zum Guten, die Hoffnung schenkt und Mut für die Zukunft. Zu dieser Zeitenwende kommt mir eine Weihnachtslegende von Dietrich Heyde in den Sinn:

Im Gefolge der drei Könige, die kamen, um anzubeten, fand sich eine seltsame Gestalt. Sie war beides – licht wie der Tag und dunkel wie die Nacht. Es schien, als hätte sie zwei Gesichter. Eines blickte immer nach vorn in die Zukunft, das andere zurück in die Vergangenheit. Manchmal war es, als würde sie sich nur sehr langsam fortbewegen, sogar stehen bleiben, dann wiederum, als würde sie rasen, ja vorüberfliegen. Dieser seltsame Wanderer war die Zeit. Auch sie hatte den Stern von Bethlehem gesehen und sich auf den Weg gemacht, dem neugeborenen König zu huldigen.

Wie die drei Könige kehrte auch die Zeit in den Palast des Herodes in Jerusalem ein. Als Herodes sie sah, fragte er: „Wer bist du?“ „Du kennst mich, Herodes, jedes Kind kennt mich. Ich bin in allem und nichts ist ohne mich. Sieh dich um! Schau dich selber an!“ Herodes ging zu einem Spiegel und sah hinein; dann sagte er: „Ich bin alt geworden, alt und müde. Meinst du das?“

Noch ehe die Zeit etwas erwidern konnte, fiel es Herodes plötzlich wie Schuppen von den Augen. „Jetzt erkenne ich dich, jetzt spüre ich dich. Du bist die Zeit, die ich so oft vergaß, verdrängte, wegschminkte; du bist die Zeit, die ich mir durch Termine, Hektik und Tagesgeschäfte verstellte … Was willst du?“ „Ich suche den neugeborenen König“, sagte die Zeit. „Den neugeborenen König?“ Herodes wurde bleich. Er war vor dem Spiegel auf die Knie gesunken und erhob sich nun langsam. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte er. „Wenn die Zeit erfüllt ist“, heißt es, „sendet Gott seinen Sohn auf die Erde. Der stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“

Diese Sätze machten Herodes sehr betroffen. Er war in Gedanken versunken. Als er sich nach einiger Zeit wieder nach der Zeit umsah, war sie nicht mehr da. Sie war nach Bethlehem gekommen und fand Maria und Josef und das Kind in einem Stall. Solch seltsamen Gast hatten Maria und Josef noch nicht gesehen. Als sie der Zeit ansichtig wurden, war ihnen, als würden sie auf einen Blick all das Vergangene der Menschheit wahrnehmen bis in die allerersten Anfänge und Ursprünge hinein, Höhen und Tiefen, Krieg und Frieden menschlicher Geschichte, Hoffnung und Verzweiflung. Die Leiden, das Elend und all der Tod von Jahrhunderten spiegelten sich im Gesicht der Zeit.

Dann aber sahen sie das andere Gesicht der Zeit, das Gesicht von Geburt und Neuanfang und Zukunft. Es schien ihnen jung und ungetrübt wie eine Quelle, aus der die neuen Lebensmöglichkeiten nur so hervorsprudelten. Sah man nur dieses Gesicht der Zeit, so hätte man glauben können, der Tag sei nahe, an dem kein Leid, kein Geschrei und kein Tod mehr sein wird. Maria und Josef glaubten schon, das Ende der Zeit vor Augen zu haben, als das Kind sagte: „Ich habe dich erwartet“, sagte das Kind. „Die Zeit ist erfüllt.“ „Und ich bin zur Stelle“, erwiderte die Zeit und legte ihr Gewand als Gabe zu Füßen des Kindes, und ihr war plötzlich, als habe sie eine kettenschwere Last abgelegt.

Das Kind nahm mit einem Lächeln das Gewebe aus Stunden, Jahren und Jahrtausenden und wandelte in Segen, was die Menschen an Schuld und Leid, an guten und bösen Erfahrungen hineingewoben hatten. Die Zeit aber, von aller Last befreit und beschenkt mit Ewigkeit, zog ihre Straße fröhlich.

„Das ist die Zeitenwende“, sprachen die Menschen zueinander und zählten die Jahre neu. Und wer wollte und genau hinschaute, konnte von nun an tief im Herzen der Zeit, wo immer auf dieser Erde, den Stern von Bethlehem sehen, der uns in kleinen Dingen den Anfang von etwas Großem spüren und im Sturm des Vorübergehenden die Dinge des Ewigen erfahren lässt.

Diese Erfahrung wünsche ich uns allen in den Tagen Jahres 2023.

Autor: P. Michael Wegner CSSp.

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