17.03.2023
Um das rechte Sehen geht es in den Schrifttexten des vierten Sonntags in der Fastenzeit, der den schönen Namen trägt: „Laetare“ – freue dich! Wir dürfen uns freuen, die Hälfte der Fastenzeit geschafft zu haben, mit all den Vorsätzen, die wir dazu vielleicht gefasst ha-ben. Wir dürfen uns freuen über Gottes Heilstaten in der Geschichte seines Volkes und über sein Heilswirken auch in unserem Leben.
„Gottes Auge sieht anders als der Mensch. Der Mensch sieht das Gesicht, der Herr aber sieht das Herz!“ So hören wir in der Lesung aus dem Buch Samuel (1 Sam 16, 7b). Gott sieht nicht auf Äußeres, er sieht auf das Herz. Wir unterstellen Gott gerne, dass er uns Menschen nach unserem Verhalten, nach unserem Engagement und unserem Auftreten beurteilt. Aber Gott schaut tiefer, er sieht bis auf den Grund unseres Herzens, er sieht den Kern in uns.
Auch im Evangelium geht es um das rechte Sehen (Joh 9, 1-41). Jesus, der vorübergeht, sieht den Blinden. Und wir gehen mit Jesus vorüber und sehen den Blinden. Doch wir sollen nicht nur den Blinden, nicht nur den Anderen sehen, sondern auch und vor allem uns selbst. Wir sollen unser Leben und das, was wir daraus machen, im Licht Christi sehen.
Die Erzählung vom Blindgeborenen nimmt uns mit auf den Entwicklungsweg eines Menschen, der nicht nur in die Erkenntnis Jesu hineinwächst, sondern auch in seine eigene Identität. Er lernt sich selbst allmählich besser kennen. Aus dieser Selbsterkenntnis heraus sieht er die Dinge und die Menschen in einem anderen Licht, er kann sie besser beurteilen und ihnen gerechter werden.
Zu dieser Selbsterkenntnis lädt Jesus auch uns ein. Die Selbsterkenntnis ereignet sich in einem langen, ja lebenslangen Prozess. Sie braucht Zeit und sie ist keine einmalige Angelegenheit. Immer wieder neu müssen wir uns selbst besser kennenlernen, um dann auch den anderen besser zu verstehen. Die Fastenzeit ist eine gute Zeit, sich auf diesen Prozess der Selbsterkenntnis neu einzulassen.
Schön wäre es, in dieser Zeit Menschen in ihrer Würde neu sehen zu lernen. Manchmal verändern wir einen anderen Menschen durch unsere Vorurteile, durch einen misstrauischen Blick, durch unsere „inneren“ Ablehnung. Wir könnten die Fastenzeit doch als einen Aufruf verstehen, anderen durch unsere Offenheit einen neuen Anfang zu schenken, so wie es Jesus bei dem Blindgeborenen getan hat. Dabei kann uns dieses Herzensgebt helfen:
Guter Gott, wir sind die sogenannten Sehenden und doch oft so blind. Am schwerwiegendsten ist die Blindheit des Herzens. Schnelle Bewegungen, harte Urteile, dumme Sprüche gehen uns rasch über die Lippen. Wir vergessen, dass jeder Mensch eine Geschichte hat, die unseren Respekt verdient. Öffne unsere Augen, schenke uns Augen des Herzens, damit wir hinter die Dinge sehen und dich erkennen und auch uns selbst wieder neu. Amen.[1]
[1] Gebet von Regina Groot Bramel in: Predigten plus, Lesejahr A, S. 77.
Autor: Pater Michael Wegner, CSSp
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