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Impuls zum 22. Sonntag im Jahreskreis C

25.08.2022

Jesus fordert die „Umwertung aller Werte“

Wenn Jesus die Geschichte vom Gastmahl und der Rangordnung unter den Gästen erzählt, geht es ihm nicht um Benimmregeln oder einen Tipp, wie man gut dasteht. Es geht ihm um das Reich Gottes, was es ausmacht und wer daran Anteil hat. Und das Ganze geschieht nicht zufällig im Haus eines Pharisäers.

Pater Michael Wegner, CSSp

Pater Michael Wegner, CSSp

"Es geht nicht um Benimmregeln ..."

Zum Glück gibt es heute, wenn wir zu einer Feier eingeladen sind, für die Gäste Tischkärtchen, da steht der Name drauf. Die blamable Situation des Gastes auf dem falschen Platz, wie im Evangelium kann sich so in unserer modernen Gesellschaft kaum wiederholen: Der Gastgeber hat sich schon tagelang den Kopf darüber zerbrochen, wer wo und neben wem sitzen soll.

Wenn Jesus die Geschichte vom Gastmahl und der Rangordnung unter den Gästen erzählt, geht es ihm nicht um Benimmregeln oder einen Tipp, wie man gut dasteht. Es geht ihm um das Reich Gottes, was es ausmacht und wer daran Anteil hat. Und das Ganze geschieht nicht zufällig im Haus eines Pharisäers.

Der Evangelist Lukas betont ausdrücklich: Jesus ist zum Essen eingeladen in das Haus eines "führenden" Pharisäers. Für den war die bedingungslose Einhaltung religiöser Ge- und Verbote eine unbedingte Pflicht. Und gerade im Haus eines solchen Gastgebers kommt es zu einer Szene, die für manchen Gast nur peinlich sein konnte: Da suchen sich die Gäste selbst den Platz aus, der ihrem gesellschaftlichen Rang entspricht.

"Wo „Mit-Menschlichkeit“ zu spüren ist, da gibt es kein Oben und Unten..."

Jesus ergreift die Gelegenheit, um klarstellen, welcher Maßstab eigentlich gelten soll. Er erklärt dem Gastgeber, was wirklich zählt. Es soll nicht gelten: "Ich lade dich ein - du lädst mich ein." Jesus fordert die „Umwertung aller Werte“: Nicht die führenden Leute der Gesellschaft soll der Pharisäer zu sich einladen, sondern die Menschen am anderen Ende der gesellschaftlichen Leiter: die Armen, Krüppel, Lahme und Blinde, die nichts selber schaffen können und auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind.

Mit dieser Mahnung Jesu wird sein Anliegen deutlich: Wie schon dem Weisheitslehrer Jesus Sirach in der alttestamentlichen Lesung geht es auch Jesus um die weitgehend vergessenen Tugenden der Demut und der Bescheidenheit. Diese beiden Worte verbreiten heutzutage einen eher muffigen Geruch. „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“, so sagt der Volksmund.

Bescheidenheit ist eng verbunden mit Demut. Unser Ordensgründer P. Libermann hat einmal gesagt: „Demut ist die sanfte und ruhige Erkenntnis der eigenen Armseligkeit vor Gott; und gleichzeitig ist sie die Erkenntnis der großen Wertschätzung, die Gott in uns gegenüber hat.“ So wie sich Gott in der Menschwerdung Jesu heruntergebeugt hat, kann ein Mensch, der auf Gott vertraut, sich herabbeugen, ohne deswegen sein Gesicht oder seine Würde zu verlieren.

Um dem Wort „Demut“ seinen „muffigen Geruch“ zu nehmen, können wir es auch durch das Wort „Menschlichkeit“ ersetzten. Das klingt doch schon viel wärmer und herzlicher.

Demut ist die Art und Weise, wie wir als Menschen miteinander leben, welchen Platz wir einander einräumen, ob wir uns mit Vorurteilen, von oben herab oder auf Augenhöhe, auf gleicher Ebene begegnen. Entscheidend ist unsere Menschlichkeit, in der etwas von Gottes Barmherzigkeit spürbar und begreiflich wird. Dort, wo diese „Mit-Menschlichkeit“ zu spüren ist, da gibt es kein Oben und Unten, da braucht es keine Ehrenplätze ganz vorn, da hat jeder seinen Ehrenplatz im Herzen seines Mitmenschen und ganz sicher im Herzen Gottes.

Autor: Pater Michael Wegner, CSSp

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