31.05.2022
“I always try to do my best!” – Auf Deutsch übersetzt: „Ich versuche immer, mein Bestes zu tun.“ Diese Lebensphilosophie hat die 60 Jahre priesterlichen Lebens und die 65 Jahre Ordensleben des Spiritanerpaters Dieter Kamps geprägt. Geboren am 14. Januar 1934 in Essen als zweites Kind eines Handelsvertreters, wuchsen P. Kamps und seine Schwester in einem sehr religiösen Elternhaus auf. Es ist daher nicht verwunderlich, dass beide Geschwister die geistliche Laufbahn ergriffen haben: Er ist Spiritaner geworden, und seine Schwester ist bis heute eine Ordensschwester bei den Vinzentinerinnen.
Am 6. Mai 1949, damals nur 15 Jahre alt, kam P. Kamps nach Knechtsteden, um Ordensbruder zu werden. „Sehr früh habe ich mich in der Kirche als Messdiener engagiert. Die Kriegsjahre habe ich im Bunker erlebt und mich dadurch in der Schule schwergetan. Ich wollte dann Ordensbruder werden. Eines Tages las ich folgende Annonce in der Kirchenzeitung: ‚Welch idealer gesinnter Jüngling möchte sich unserem Orden anschließen? Er möge sich bewerben.‘ Diese Annonce hat mich angesprochen. Daraufhin habe ich nach Knechtsteden geschrieben und ich wurde aufgenommen“, erinnert er sich zurück.
Als Bruderkandidat begann er das Vorpostulat und arbeitete zunächst unter der Leitung von Bruder Germanus im Hühnerstall; dann wechselte er in die Buchbinderei zum Bruder Otmar – in der Abteilung gab es viel zu tun. „Hier lernte mich Pater Richard Kräuter kennen, und er sorgte dafür, dass ich wieder in die Schule kam. Angefangen habe ich in Knechtsteden, und dann ging es weiter in der ordenseigenen Schule in Menden (Sauerland), wo ich vier Jahre gewesen war und anschließend das Abitur machte“, so P. Kamps. Danach trat er am 11. April 1957 in das Noviziat in Heimbach ein und legte im darauffolgenden Jahr die zeitliche Profess ab. Die philosophisch-theologischen Studien fanden in Knechtsteden statt. Abschließend wurde er zusammen mit 10 weiteren Mitbrüdern am 31. Mai 1962 in der Knechtstedener Basilika von Weihbischof Wilhelm Cleven zum Priester geweiht. „Von unserem Weihejahrgang bin ich der Einzige, der noch im Dienst ist. Zwei sind aus dem Orden ausgetreten und verheiratet, zwei sind ertrunken im indischen Ozean und einer wurde in Südafrika ermordet. Insgesamt haben sieben meiner Kollegen bereits die Reise ins Jenseits angetreten“, berichtet der Jubilar.
Nach der Priesterweihe wirkte P. Kamps kurz (1962-1963) als Präfekt in der ordenseigenen Schule in Broich bei Würselen, Aachen. Jedoch lag ihm der Umgang mit den Schülern nicht so sehr. „Ich wollte in die Seelsorge, und zwar in eine Auslandsmission gehen und unter den Menschen sein“, sagt er. So wurde er nach Südafrika, in die Diözese Bethlehem, wo die meisten deutschen Spiritaner im missionarischen Einsatz waren, entsandt. Zusammen mit Pater Gerhard Steffen trat er die Reise an. Es war noch die Apartheidzeit, und Nelson Mandela saß in Haft auf Robben Island. „Ich wurde auf der Station Lindley im Oranje Freistaat eingesetzt. Pater Roggendorf, ein großer Sprachkenner, war mein Vorgesetzter. Er hat mir Sesotho beigebracht. Wir haben insgesamt 6 Monate zusammengelebt, und ich habe viel von ihm gelernt. Nach dieser Zeit sagte er mir eines Tages: ‚Jetzt kennst Du dich aus. Du kannst Englisch, Afrikaans und Sesotho. Ich gehe nach Deutschland zurück und verbringe meinen Lebensabend dort. Wenn du etwas brauchst, melde dich, und ich besorge dir das aus Deutschland.‘ Auf dieser Weise übernahm ich die Leitung der Station Lindley mit drei angeschlossenen Gemeinden – Arlington, Petrussteyn und Steynsrus. Mein Hauptsitz war Lindley.“
10 Jahre lang (1964 - 1974) betreute P. Kamps diese Gemeinden seelsorglich. Jeden Sonntag besuchte er eine der Gemeinden und feierte die Eucharistie mit den Gläubigen. „Ich feierte die erste Messe für die Europäer auf Englisch, dann die zweite Messe in Sesotho in einer Location und anschließend die dritte Messe um 15 Uhr in Sesotho auf einer Farm“, erläutert er. In Arlington gab es eine große Schule, die er mitbetreute und war daher dort öfters.
Neben den seelsorglichen Tätigkeiten versuchte er alles für die Menschen zu sein. In der Location hat er sich seinen Unterhalt mit dem Fotografieren verdient. Damals musste jeder Afrikaner, wenn er 14 bzw. 15 Jahre alt wurde, ein Passbild haben. „Dieses haben sie auf der Mission bei mir geholt. Ich habe viel Zeit in der Dunkelkammer gesessen und Fotos entwickelt. Sie konnten diese dann für 2 Schillings abholen. Davon habe ich gelebt. Ich hatte auch einen Garten, wo ich Tomaten und Gemüse gepflanzt habe“, so P. Kamps. Auch bekam er von seinem Freundeskreis in Deutschland viele Kindersachen zugeschickt. „Das war für mich eine gewisse Einnahmequelle. Die Leute holten ein paar Kleidungsstücke für einen kleinen Betrag ab.“
Außerdem betrieb er eine Art „mobile Apotheke“. „Mein Mitbruder, Pater Roggendorf, hat mir die Herstellung von Heilmitteln für die Behandlung von Husten, Fieber, Erkältung usw. beigebracht. Zudem hatte mir auch eine pharmazeutische Firma aus Johannesburg Medikamente geschickt. Diese habe ich den Menschen, die sie brauchten, verabreicht. Es kamen viele Einheimische aus den Locations, wenn sie oder jemand in ihrer Familie krank waren, um Arzneimittel zu holen. Und ich konnte ihnen ein klein wenig helfen“, sagt er mit Stolz. Dann fügt er hinzu: „In dieser für mich äußerst schwierigen Zeit aufgrund der Diskriminierung der schwarzen Afrikaner haben mir die liturgischen Feiern mit den Menschen viel Kraft gegeben.“
Leider konnte P. Kamps den Umgang mit den Afrikanern, der seines Erachtens dem Evangelium widersprach, nicht aushalten. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war eine für ihn nicht schöne Erfahrung mit einer Engländerin, Frau von Rendsburg. „Ich fuhr an einem ersten Sonntag im Monat nach Petrussteyn zur Messe und hatte ein kleines Kind vorne im Wagen – das Kind war gelähmt. Während ich die Messe hielt, ließ ich das Mädchen im Auto bei Frau von Rendsburg. Eigentlich durften Schwarzafrikaner in der Apartheidzeit nicht vorne, sondern nur hinten auf der Ladefläche sitzen. Diese Engländerin hat das gesehen, und sie sagte mir: ‚Father, you can’t do this. You are looking for trouble. Do not forget that you are in South Africa. It is a criminal offence. ’ Sinngemäß ‘Herr Pater, du darfst dies nicht. Willst du Ärgernis erregen? Vergiss nicht, dass Du in Südafrika bist. Dies ist eine Straftat!“ Dieses Erlebnis, vor allem die Aussage der Engländerin, hat sich dem deutschen Spiritanermissionar unauslöschlich eingeprägt und ihn zum Nachdenken gebracht. Er überlegte sich: „Wenn ich einem Afrikaner die Hand nicht geben darf, geschweige denn ein Bierchen mit ihm trinken oder ihn gar auf der Mission bei mir nicht übernachten lassen darf..., dann kann ich nicht mehr Missionar sein; dann kann ich nicht mehr predigen, dass alle Menschen von Gott geliebt, bejaht und angenommen ist. Denn diese Botschaft stimmt nicht mit der gelebten Situation überein.“ Demzufolge fasste er den Entschluss, nach Deutschland zurückzukehren, und übergab Pater Richard Jehle die Leitung der Missionsstation Lindley.
Am 29. Mai 2022 hat P. Kamps sein diamantenes Priesterjubiläum mit seinen Mitbrüdern und den Gläubigen gefeiert.
Gefragt, ob es ihm bei der Rückkehr in die Heimat schwergefallen sei, hier Fuß zu fassen, antwortete er: „Nein, zum einen nutzte ich die Zeit, um die belastende Erfahrung in Südafrika zu verarbeiten, und so habe ich vier Wochen im Gebet und in der Stille (1. Oktober 1974 bis 2. November 1974) in der Trappistenabtei Mariawald, in der Nähe von Heimbach in der Eifel, verbracht. Ich habe mit den Mönchen zusammengelebt. Das Leben der Trappisten dort hat mich sehr beeindruckt, und ich verdanke ihnen mein spirituelles Leben. Die Stille hat mir gut getan und mich innerlich sehr geprägt.“ Schon während seines Noviziats in Heimbach lernte er dieses geistliche Zentrum kennen und fühlte sich dazu hingezogen. Die meisten seiner Urlaube habe er gewöhnlich in verschiedenen Trappistenabteien in Flandern, in Belgien sowie in Frankreich und Deutschland gemacht.
„Zum anderen“ fährt er fort, „hat mir die Rückkehr ermöglicht, mich in die hiesige Kirche und in die Heimatprovinz einzubringen. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Nach einer Auszeit in der Abtei Mariawald widmete sich der Südafrikamissionar sämtlichen seelsorglichen und ordensinternen Aufgaben. Vom 1. Oktober 1975 bis 1. Juni 1977 war er als Nachfolger von Pfarrer Thomas Zensus in St. Gabriel, Delrath, tätig. „Es war für mich und die Delrather eine sehr gute Zeit; ich konnte von meinen missionarischen Erfahrungen in Südafrika erzählen. Das kam bei den Pfarreiangehörigen gut an. Ich war gerne dort und habe noch Kontakt nach Delrath. Meine Betreuerin stammt dorther“, sagt er voller Begeisterung.
Mit der Eröffnung des Libermannhauses wurde Pater Konrad Breidenbach, der damalige Provinzschriftführer, mit dessen Leitung betraut, während P. Kamps seine Nachfolge als Provinzsekretär antrat. Vom 2. Juni 1977 bis August 1993 versah er sorgfältig diesen Dienst. Er hat (bei) zwei Provinzialen – Albert Claus und Gregor Lutz – gedient. Während dieser Zeit war er auch vom früheren Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, zum Diözesansprecher für die Charismatische Gemeindeerneuerung (von Juni 1989 bis Juni 1996) ernannt worden. „Gewöhnlich habe ich montags die Heilige Messe für die Mitglieder der charismatischen Erneuerung in verschiedenen Kirchen des Erzbistums gefeiert und donnerstags in der Kapelle des Provinzialats eine Gebetsstunde gehalten. Ich hatte einmal ein Diözesantreffen der Charismatiker organisiert, und da kamen sie von überall her. Ungefähr 80 Priester haben Beichte gehört“, erinnert er sich. Auch während seiner 16-jährigen Amtszeit als Provinzsekretär übernahm er gerne Aushilfen. „Ich sage es ein bisschen übertrieben: Es gibt kaum eine Kirche im Erzbistum Köln, wo ich nicht mal eine Vertretung gemacht habe, entweder weil der Pastor im Urlaub oder krank war. Ich habe mich da bestens ausgekannt“, bemerkt P. Kamps.
Nach seinem Einsatz in der Ordensverwaltung wollte er zurück in die Seelsorge. „Da ich in vielen Nonnenklöstern Beichtvater gewesen war – wie z.B. im Raphaels Haus in Dormagen, Severins Klösterchen in Köln u.a. – teilte mir eine Ordensoberin mit, dass ein Hausgeistlicher für die psychiatrische Fachklink und das gerontopsychiatrische Altenheim in Zülpich Marienborn gesucht würde, und fragte mich, ob ich diese Aufgabe nicht übernehmen könne. Nach gemeinsamer Überlegung mit dem Provinzial stimmte ich zu und absolvierte vom November bis Dezember 1993 den Psychiatrieseelsorgekurs in Köln. Danach wurde ich als Krankenhausseelsorger und Hausgeistlicher (vom 1.Januar 1994 bis September 2005) angestellt.“ Über 400 Patienten hat P. Kamps seelsorglich betreut. Für ihn war es keine einfache Aufgabe, jedoch hat er sie gerne getan. „Als Pater Konrad Breidenbach die Mitbrüder in Südafrika besuchte, wurde er gefragt, wie es den einzelnen Mitbrüdern ging und was jeder machte. Als es um mich ging, zögerte P. Breidenbach einen Moment, und dann sagte er: ‚P. Kamps ist in einer Anstalt.‘ Da war ein betretenes Schweigen, bis er sagte als Seelsorger“, ruft P. Kamps in Erinnerung. Bis zu seiner Pensionierung im September 2005 ging P. Kamps dieser Tätigkeit mit Leidenschaft nach.
Nach Beendigung des Dienstes mit Erreichen des Ruhestandsalters wurde P. Kamps in die Kommunität Knechtsteden versetzt. Da er schon während seiner Studienzeit in Knechtsteden durch den damaligen Ausbildungsleiter, Pater Wipper, die Johannes Chrysostomus Liturgie im slavisch byzantinischen Ritus der Ukraine kennen- und schätzen gelernt hatte, versucht er nun seine Leidenschaft für die Ostliturgie zu vertiefen. „Die Johannes Chrysostomus Liturgie hat meine Liebe für die Ikonen beeinflusst und gefördert. Mir bedeutet die Teilnahme an dieser Liturgie viel. Es hat meine persönliche Frömmigkeit genährt. Seitdem ich im Ruhestand bin, hat sich das sehr ausgebreitet. Ich habe keine Langweile, ich beschäftige mich mit der Ikonografie. Zwar schreibe ich keine Ikone, aber ich sammle sie. Sie werden mir immer wieder gebracht, manchmal durch den Hausmeister, der sie im Mülleimer am Schulhof findet, oder sie werden im Klosterladen bzw. in der Fundgrube abgegeben, wahrscheinlich, weil die Oma, bei der sie über dem Bett hing, gestorben ist, und die Kinder nichts damit anfangen können.“ Und dann fängt er an mit Begeisterung auf Ukrainisch zu singen.
Dem Stille liebenden Mitbruder liegt es sehr am Herzen, seine Ikonen-Betrachtungen mit den Menschen zu teilen. „Ich setze mich unten (neben dem Klosterladen) gerne zu den Besuchern bzw. Spaziergängern hin. Ab und zu ergeben sich nette Begegnungen und Gespräche. Wenn ich spüre, dass sie auf Ikonen ansprechbar oder interessiert sind, dann nehme ich sie mit und lasse ihnen eine Ikonen-Führung angedeihen. Sie sind oft erstaunt. Dadurch ergeben sich für mich viele Gespräche seelsorglicher Art.“
Sein Wohnzimmer wimmelt von Ikonen verschiedener Größe und Herkünfte. Darunter sind u.a. eine Ikone, die die Begegnung zwischen Maria von Magdala und dem Auferstandenen Herrn zeigt, sowie viele Marien-Ikonen wie z.B. die Madonna Hodegetria - ὁδηγήτρια. Maria wird da dargestellt als die Wegweiserin, die auf Jesus zeigt. Auch die Ikone der „süßküssenden“ Gottesmutter – Glykophilusa und die Gottesmutter Tricheirousa - (griechisch: Παναγία η Τριχερούσα) – die dreihändige Gottesmutter sind zu sehen. „Abends sitze ich hier in diesem Raum voller Ikonen und genieße die Stille. Ich studiere sie und was sie aussagen. Und damit die anderen lernen, was die Ikone bedeutet, beschrifte ich die.“
Getragen haben ihn in diesen über sechs Jahrzehnten priesterlichen Lebens und Dienstes die Worte der Offenbarung des Johannes 2,9: „Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut; und doch bist du reich.“ Davon zeugt sein facettenreiches, arbeitsreiches missionarischen Leben.
Autor: Pater Samuel Mgbecheta, CSSp
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